Hätte, wenn und aber - wie so oft verpasste der HSV auch beim 0:2 gegen Frankfurt den möglichen Sprung auf einen Euro-League-Platz.

Hamburg. Mario Mosa ist ein fröhlicher Mann. Der Zeugwart des HSV liebt es, Witze zu erzählen oder Scherze zu machen. Nur direkt vor der Partie gegen Eintracht Frankfurt am Sonnabend, als nach den für den HSV vorteilhaften Nachmittagspartien in den Katakomben der Imtech-Arena bereits das große Rechnen begonnen hatte, wurde der 43 Jahre alte Italiener ernst. "Wir dürfen nicht immer den Fehler machen, auf all die anderen ach so tollen Ergebnisse zu gucken. Wir müssen nachher nur auf unser eigenes Ergebnis schauen", warnte Mosa, der nach knapp sieben Jahren beim HSV so gut wie kein Zweiter weiß, dass der Verein an der vermutlich unheilbaren Wenn-dann-Krankheit leidet: immer wenn alle anderen Ergebnisse im Sinne des HSV ausgefallen sind, dann stolpern die Hamburger in schöner Regelmäßigkeit über sich selbst. Knapp zwei Stunden später, als Mosa nach der verdienten 0:2-Niederlage als einer der Ersten den Weg in die Kabine suchte, wusste er, dass er wieder mal recht gehabt hat.

"Jetzt sieht es wieder für alle so aus, dass wir nicht in der Lage sind, den großen Schritt zu machen", sagte Marcell Jansen, als er kurz nach Mosa mit hängendem Kopf durch die Mixed Zone der Arena schlurfte, "Fakt ist aber leider, dass wir nicht konstant genug sind. Wir müssen uns ernsthaft fragen, warum wir bei unserer Qualität immer wieder so große Brüche im Spiel haben." Und es ärgerte sich nicht nur Jansen maßlos darüber, dass der HSV die große Chance ausließ, zumindest vorübergehend mit drei Punkten auf Rang fünf und damit auf einen Europa-League-Platz vorzurücken. "Es ist gut, dass keiner von uns in der jüngeren Vergangenheit großartig über Europa gesprochen hat. Heute haben wir gesehen, was uns zu Europa fehlt", sagte Heiko Westermann, der aufgebrachte Torhüter René Adler ergänzte: "Die Chance Europa war heute da. Wir haben die Einladung nur nicht angenommen."

Dabei bekamen die 52.523 Zuschauer, darunter erstmals auch wieder Rafael van der Vaarts Gattin Sylvie, am Sonnabend sehr wohl einen Eindruck davon, wie ein Europa-League-Aspirant aufzutreten hat. Allerdings war es aus Hamburger Sicht leider Aufsteiger Eintracht Frankfurt, der eindrucksvoll europäische Klasse demonstrierte. Die Mannschaft des früheren HSV-Trainers Armin Veh wusste durch kreativen Spielaufbau, intelligentes Flügelspiel und blitzartiges Umschalten zu gefallen. Die gesamte Trainingswoche über hatte Veh seinen Frankfurtern eingebläut, dass der HSV in dem von Trainer Thorsten Fink bevorzugten 4-4-2-Rautensystem besonders über die Flügel anfällig sei. So war es dann aus seiner Sicht auch keine große Überraschung, dass gleich beide Tore von Neuzugang Srdjan Lakic über den rechten Flügel vorbereitet wurden. "Frankfurt hat ein modernes Spielsystem, steht zu recht ganz da oben", sagte Fink anerkennend, "die Eintracht ist momentan einfach einen Schritt weiter als wir."

In den vorangegangenen 90 Minuten kamen die Hamburger meist sogar mehr als nur einen Schritt zu spät. "Man hatte leider den Eindruck, dass wir nicht alles gegeben haben", sagte Stürmer Heung Min Son, der zu den wenigen Aktivposten zählte. Besonders in der ersten Hälfte - auch das ist beim HSV kein neues Phänomen - fand Finks Mannschaft überhaupt nicht ins Spiel, hätte sich sogar nicht beschweren dürfen, wenn Frankfurt zur Pause höher als 2:0 geführt hätte. "Mir fehlte bei der Mannschaft in der ersten Halbzeit die Körperspannung", analysierte HSV-Chef Carl Jarchow im Sport1-Doppelpass, "wir hatten die Chance auf Platz fünf zu springen, aber wir müssen sehen, dass wir nicht so weit sind."

Und obwohl positiv angemerkt werden darf, dass sich der HSV zum dritten Mal in der Rückrunde nach der Halbzeitpause steigern konnte, bleibt vorerst der Spielaufbau Finks größte Sorge. So kann derzeit niemand das Formtief van der Vaarts ausgleichen. Weder Milan Badelj, der nach seiner fünften Gelben Karte am kommenden Wochenende in Dortmund gesperrt fehlt, noch Tolgay Arslan, der wie Badelj in der Pause in der Kabine bleiben musste, scheinen derzeit das Spiel des eigenen Teams beleben zu können. Der einzige Mittelfeldspieler, der Akzente nach vorne setzen konnte, war der gelernte Linksverteidiger Dennis Aogo.

Mehr als die Ideenlosigkeit des eigenen Mittelfelds ärgerte Fink allerdings, dass er in der Spielvorbereitung explizit die Gefährlichkeit von Frankfurts Außenspielern angemerkt hatte. "Es kann nicht sein, dass wir im Detail vorher besprechen, wie Frankfurt gefährlich werden kann, und dann schießen sie genau so ihre Tore", sagte Jansen, der aber auch selbst große Probleme gegen den zweifachen Vorlagengeber Stefan Aigner hatte. Finks Konsequenz: "Irgendwann muss es mal klick machen. Aber in dieser Saison müssen wir auf dem Boden bleiben."

Tatsächlich? Wenn am kommenden Wochenende Bayern gegen Schalke, Augsburg gegen Mainz, Leverkusen gegen Gladbach und Düsseldorf gegen Freiburg gewinnen, dann müsste der HSV nur noch beim Deutschen Meister in Dortmund siegen und würde prompt mit einem Europa-League-Platz belohnt werden. Das simple Wenn-dann-Prinzip eben. Ein kleiner Spaß zum Ende, über den beim HSV nicht mal Scherzbold Mario Mosa lachen kann.