HSV-Idol Uwe Seeler kritisiert seinen Club wegen Vertragspoker um Levin Öztunali scharf - Frank Arnesen und Carl Jarchow wehren sich.

Hamburg. Welch eine Symbolik für die Veränderung des Fußballs. Uwe Seeler spielte einst nur für den HSV. Sein Enkel aber verlässt Hamburg, bevor er eine Minute für den Herzensverein seines Opas gespielt hat ...

Dass diese Personalie hoch emotional sein würde, war klar, doch den folgenden Eklat hatte wohl niemand erwartet. Nachdem sich Levin Öztunali, 16, der Enkel von Seeler, am vergangenen Donnerstag offiziell gegen den HSV und für Bayer Leverkusen entschieden hatte, ließ das 76-jährige HSV-Idol seiner Wut freien Lauf. "Armselig" sei es, dass sein Enkel nicht mehr am Punktspielbetrieb teilnehmen dürfe, kritisierte er das Verhalten des HSV im Abendblatt. Am Sonnabend legte er nach. "Der Verein hat seine Seele und Tradition ein bisschen verloren", sagte er in der "Morgenpost" und warf dem HSV via "BamS" vor: "Beim HSV reagiert man oft viel zu spät." Seeler griff am Rande des Frankfurt-Spiels vor allem Manager Frank Arnesen an, der vor der Entscheidung gesagt hatte: "Es liegt an Levin, ob er sich für die Ausbildung und Familie oder fürs Geld entscheidet." Dazu meinte Seeler: "Der Sportchef sollte sich gut überlegen, was er so von sich gibt."

Auslöser des Disputs ist ein Gespräch am Freitag zwischen den Nachwuchs-Chefs Bastian Reinhardt und Michael Schröder, pikanterweise mit der Tochter von Seelers verstorbenem Bruder Dieter verheiratet, mit Levins Vater Mete Öztunali. Sie überbrachten die Botschaft Arnesens: Öztunali erhält, so die Vereinsversion, ab sofort keine Sonderausbildung mehr.

"Ich habe allergrößten Respekt vor Uwe Seeler und dem, was er für den HSV geleistet hat", sagte Arnesen am Sonntag dem Abendblatt, "aber ich bin nun mal für den HSV verantwortlich, muss das Beste für den Verein entscheiden, auch wenn die Entscheidung hart sein mag. Wir hätten sehr gerne Levin in Hamburg gehalten, aber er hat sich nun mal für Leverkusen entschieden. Da finde ich es normal, dass wir nun entscheiden, dass die anderen Nachwuchsspieler, die sich gerne von uns ausbilden lassen, Vorrang haben. Das haben wir immer so gemacht, das macht auch jeder andere Verein."

Arnesen nannte ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr. Als sich Philipp Müller für Wolfsburg entschied, habe man sich genauso verhalten: "Da hat aber natürlich niemand nachgefragt. Wir können doch unsere ganze Vereinsphilosophie nicht über den Haufen werfen wegen eines prominenten Namens. Ich bin in erster Linie den Spielern verpflichtet, die sich gerne ausbilden lassen. Das muss dann auch Levin akzeptieren, der natürlich gerne weiter mittrainieren darf, aber eben keine Sonderausbildung mehr erhält."

Von einer kompletten Suspendierung, das machte der Vorsitzende Carl Jarchow im Sport1-Doppelpass deutlich, sei nie die Rede gewesen: "Das stand nicht zur Debatte." Die Nachwuchstrainer, so der HSV-Chef, hätten zu entscheiden, ob Levin für Punktspiele aufgestellt werde oder ein anderer Spieler, der beim HSV bleibe.

Aus dem Munde von Mete Öztunali stellt sich der Fall etwas anders dar: "Uns wurde klar gesagt, dass Levin nicht mehr spielen darf. Den Trainern wurde es verboten, ihn aufzustellen." Das habe im gesamten Nachwuchsbereich eingeschlagen wie eine Bombe, so Öztunali weiter. "Einige Jungs haben sogar überlegt, was für Levin zu unternehmen, eine Aktion zu starten."

Ob einfach nur die Kommunikation versagte oder aber jede Partei ihre eigene Version darlegte, blieb offen. Fakt ist: Levin Öztunali hat in Leverkusen einen Ausbildungsvertrag erhalten, der sich an seinem 18. Geburtstag automatisch in einen Profivertrag umwandelt. Öztunali: "Leverkusen hat uns nicht mit Geld, sondern mit einem ganzheitlichen Konzept überzeugt. Bayer sorgt dafür, das Levin nach der Schule eine Art Studium nebenbei ranhängen kann." Als Verdienst wird eine Summe von über 1,5 Millionen Euro kolportiert. Auch sein Vater erhält in Leverkusen eine Stelle als Scout, die er am 1. Juli antritt. Beim HSV wurde er freigestellt.

Der HSV wiederum hatte das Talent mit einem Drei-Jahres-Vertrag plus Option gelockt, das Gehalt lag bei über 500.000 Euro für die Laufzeit. "Wir haben ihm ein Angebot gemacht, wie wir es noch nie einem Nachwuchsspieler gemacht haben", betonte Jarchow. Zudem sollte Öztunali ab der kommenden Saison bei Thorsten Fink mittrainieren - doch der Traum, die Geschichte der Seeler-Familie fortzuschreiben, ist geplatzt. Es wird das HSV-Idol schmerzen, obwohl ein Teil seines Herzens auch Leverkusen gehört. Was kaum einer weiß: Levins Opa ist bereits seit 1997 ein echtes Bayer-Mitglied.