WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Sport
  3. Fußball
  4. Bundesliga
  5. Hamburger SV
  6. Angst um den HSV: Die Sportstadt Hamburg zittert um ihren Status

Hamburger SV Angst um den HSV

Die Sportstadt Hamburg zittert um ihren Status

Der Fußballverein? Vom Abstieg bedroht. Der Handballverein? Kurz vor der Insolvenz. Olympiapläne? Wenig Einigkeit. Wie die stolze Sportstadt Hamburg in diesen Schicksalstagen um ihren Statuts bangt.

Wie schnell das doch manchmal geht! Hatte nicht eben gerade noch Alfons Hörmann, der neue Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), mit freundlich klingenden Äußerungen über eine mögliche deutsche Kandidatur das Olympiafeuer in Hamburg wieder entfacht? Hatte nicht der Präsident des HSV-Handball, Andreas Rudolph, einen neuen Geschäftsführer engagiert, der den Klub in eine gute Zukunft führen sollte? Spielte nicht der FC St. Pauli um den Aufstieg und das Team der Freezers um die deutsche Eishockeymeisterschaft?

Gut, ja, die Fußballspieler des HSV, die dümpelten auch vor Wochen schon vor sich hin wie die Elbbarkassen im Brackwasser, gewannen dann aber doch ein wichtiges Heimspiel gegen Bayer Leverkusen. Der Frühling hatte gerade den Winter abgelöst, als die Hamburger sich gegenseitig versichern konnten, dass sie eben doch in einer national und vielleicht sogar international bedeutenden Sportstadt leben.

Aber, wie gesagt: Wie schnell das doch manchmal geht! Jetzt nämlich hat das ganz große Zittern begonnen.

Nicht mehr um den FC St. Pauli, der in der Tabelle noch deutlich abrutschte. Und auch nicht mehr um die Freezers, die im Halbfinale der Play-off-Serie ausrutschten. Aber um die beiden Klubs mit der Raute, die sich den Namen und das Logo teilen, aber wirtschaftlich getrennt voneinander agieren.

Da sind zunächst die Fußballspieler, die Donnerstagabend (20.30 Uhr, ARD, Sky und Liveticker bei welt.de) im Relegationshinspiel im eigenen Stadion gegen die SpVgg Greuther Fürth antreten müssen. Spätestens am Sonntag (17.00 Uhr, ARD, Sky und Liveticker bei welt.de) geht es dann um nicht weniger als das mögliche Ende der Dinosaurierzeit in der Fußball-Bundesliga, wenn mit den Hamburgern das letzte Gründungsmitglied der Elitegemeinschaft den traurigen Gang in die Zweitklassigkeit antreten könnte.

In der Hansestadt, die sich sonst gern von ihrer coolen Seite zeigt (hier heißt das allerdings Understatement), ist bei vielen Fans zwar Erleichterung darüber zu spüren, dass diese Entscheidungsspiele trotz einer historischen Niederlagenserie im Saisonfinale überhaupt noch erreicht werden konnten. Große Euphorie ist allerdings dennoch nicht aufgekommen: Dafür war die Saison insgesamt schlicht zu schlecht – und nicht nur diese eine.

Wäre ein Abstieg nicht verdient? Gar besser?

In den Fanforen wird offen über die Versäumnisse, Fehleinkäufe und -einschätzungen inklusive diverser Personalwechsel der vergangenen Jahre diskutiert. Wäre ein Abstieg nicht verdient? Gar besser?

ARD-„Sportschau“-Moderator Alexander Bommes fasste die Situation bei einer Podiumsdiskussion zur Sportstadt Hamburg in dieser Woche der Entscheidung bündig zusammen: „Mit zwei Niederlagen und dem Blick auf andere kommt der HSV jetzt jedenfalls nicht mehr weiter.“

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), sonst kein großer Fußballfan, hat den Nichtabstieg mit feinem politischen Gespür kurzerhand zu einer Art Chefsache gemacht und sich mit Fanschal beim letzten regulären Saisonspiel unter die Anhänger gemischt. Doch weder seine Präsenz noch das versprochene 90-Minuten-Daumendrücken halfen gegen die Niederlage.

Anzeige

Donnerstagabend will Scholz im Stadion gleichwohl zum Wiederholungstäter werden. Auch viele der Hamburger Medien haben mit Radiospots oder Fotokampagnen in den vergangenen Wochen versucht, etwas zum Überlebenskampf beizutragen.

Geholfen hat es bis jetzt wenig bis nichts, und zur Wahrheit gehört wohl auch, dass nicht wenige Hamburger dem HSV einen Abstieg durchaus gönnen – zumindest in den innerstädtischen Stadtteilen hat der FC St. Pauli eine sehr große Fanschar.

Und andere kühle Analytiker, geprägt vom hamburgischen Kaufmannssinn, sehen durchaus, dass dauerhaft wiederholte Fehler auch mal zu einem nachhaltigen Misserfolg führen müssen.

Der Handballverein ist existenziell bedroht

Den haben die Rautenträger vom HSV-Handball, immerhin Meister des Jahres 2011 und Champions-League-Sieger 2013, in der noch laufenden Saison sportlich gesehen nur eingeschränkt: Zwar wurde nur Platz vier belegt – das ist für den Kader und die Ansprüche zu wenig –, aber so eine Saison kann vorkommen.

Existenziell bedrohend ist hier vielmehr, dass das Mäzenatenkonstrukt rund um den sprunghaften Gönner Andreas Rudolph, der in den vergangenen zehn Jahren mehrere Millionen Euro in den Verein gepumpt hat, vor dem Aus steht. Oder sogar schon ein Ende gefunden hat. Die Gemengelage jedenfalls kann sich von Tag zu Tag verändern.

Rudolph ist nach Mallorca gereist, einige Spieler hinterher, während Geschäftsführer Holger Liekefett – er hatte den Job erst im März und ohne Bezahlung angetreten – neue Geldgeber sucht und gleichzeitig aufpassen muss, dass er nicht als persönlich haftender Verantwortlicher wegen Insolvenzverschleppung in den strafbaren Bereich kommt.

Dass die Handball-Bundesliga nach ihren neuen Richtlinien ohne konkrete Bankbürgschaft eine Lizenz für die kommende Saison erteilt, kann ausgeschlossen werden. Und noch ist nicht einmal klar, ob Rudolph, wie einst zugesagt, die Altschulden übernimmt und die Gehälter plus Sozialabgaben für den Monat April zahlt.

Hoffnungen auf die Strukturreform im Fußballklub

Anzeige

Auch bei den HSV-Handballspielern sind die Fans verunsichert und wütend. Doch die Konstrukte und Notpläne sind mit so vielen Bedingungen verknüpft, dass sich diese Empörung kaum zielgerichtet entladen kann. Ohne Rudolphs Millionen hätte es das Hamburger Handballwunder so nie gegeben.

Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis beinahe unheilvoll zu den Fußballspielern des HSV: Auch sie haben immense Schulden, gesprochen wird von 100 Millionen Euro, und auch bei ihnen ruht die Hoffnung gleichermaßen auf einer Strukturreform, über die am 25. Mai in einer Mitgliederversammlung entschieden wird.

Kommt diese Reform, will der milliardenschwere HSV-Fan Klaus-Michael Kühne (76) einen zweistelligen Millionenbetrag an seinen Lieblingsverein überweisen. Viele Fans hoffen darauf, damit ihr Klub vielleicht in die Lage versetzt wird, endlich wieder an die erfolgreichen Zeiten anknüpfen zu können. Andere hingegen warnen vor einem Verkauf der Vereinsseele.

Hamburg ohne Erstligateams in den beiden Kernsportarten Fußball und Handball – das würde nicht nur dem Image der Sportstadt einen schweren Schaden zufügen. Die Elb-Hanseaten messen sich doch so wahnsinnig gern, vergleichen Quartal für Quartal die Tourismuszahlen mit denen anderer europäischer Städte, verfahren gleichermaßen mit den Tonnagen an Schiffsladung und leben in der ständigen Sorge, dass ihre Ansicht, in der schönsten Stadt der Welt zu leben, nicht ausreichend auf dem Planeten geteilt wird.

Und dann das: Lemgo und Paderborn und Augsburg – vom Erzrivalen Bremen mal ganz zu schweigen – hätten erstklassige Mannschaften in Handball und/oder Fußball, Hamburg aber nicht.

Hat die Stadt eine Chance auf Olympia? Will sie?

Ach ja, und dann ist da ja noch Olympia. Hat die Stadt eine Chance? Müsste sie sich dafür verändern, oder müsste sich doch eher die Art der Olympischen Spiele verändern? Das meint jedenfalls Michael Neumann (SPD), der Hamburger Sportsenator.

Wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) weniger gigantisch planen würde, dann könnte Hamburg sich eine Bewerbung vorstellen, wenn denn die Bevölkerung mitzieht und ein Finanzierungskonzept steht. Die Grünen wollen zunächst Gutachten sehen, der Handelskammer geht das alles nicht schnell genug, und der Bürgermeister übt sich in einem Sowohl-als-auch.

„Die Frage ist: Klappt das mit der Begeisterung noch mal?“, fragte Scholz in Anspielung auf eine frühere Bewerbung für die deutsche Kandidatur, die 2003 trotz großer Unterstützung vieler Hamburger gescheitert war. Damals gewann Leipzig das nationale Auswahlverfahren.

Das ist lange her, aber in der Stadt, die partout nicht zweitklassig sein will, doch noch so nah. Manchmal geht es eben schnell.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema