2. Bundesliga

Hamburger SV und Tim Walter schaffen Historisches

Relegation - Hamburgs 3:2 in Rostock als Spiegelbild der Saison

Walters Widerstandskämpfer

Jubel bei Tim Walter nach dem Schlusspfiff.

Jubel bei Tim Walter nach dem Schlusspfiff. IMAGO/MIS

Noch nie hat ein Zweitligist seit Einführung der Dreipunkte-Regelung 1995/96 sieben Zähler Rückstand auf den Relegationsrang fünf Partien vor dem Saisonende aufgeholt. Und das 3:2 in Rostock war so etwas wie die komprimierte Zusammenfassung der gesamten Spielzeit: Sie gingen zu Boden, lagen 0:1 hinten, weigerten sich aber beharrlich, liegen zu bleiben. Mit dieser Mentalität sind sie auch in der nun anstehenden Relegation gegen Hertha BSC nicht chancenlos.

Keiner hat mehr mit uns gerechnet.

Robert Glatzel

"Das Spiel in Rostock", findet Robert Glatzel, mit dem 1:1, seinem 22. Saisontreffer, entscheidend an der Wende beteiligt, "war symptomatisch für unsere Saison. Wir sind immer mal wieder hingefallen, sind aber immer wieder aufgestanden. Keiner hat mehr mit uns gerechnet." Das galt vor allem nach dem 0:1 in Kiel am 29. Spieltag, aber eben auch nach den ersten 45 Minuten am Sonntag. "Da ging nicht viel", räumt Glatzel ein.

HSV wie so oft - und doch anders

Konkret sah vieles aus wie in jener Vergangenheit, in der Hamburg in den entscheidenden Momenten gescheitert ist. Es gab viel Ballbesitz, aber wenig Ideen und Tempo. Den entscheidenden Unterschied zu HSV-Kadern der Vergangenheit freilich wies das aktuelle Aufgebot an der Ostsee auch nach: Es ergab sich nicht, sondern schlug zurück.

"Wir geben niemals auf, egal was kommt", sagt Sebastian Schonlau, "das zeichnet uns schon die gesamte Saison aus." Und das schreibt er seinem Trainer zu. "Er trichtert uns das vom ersten Tag an ein", lobt der Kapitän Tim Walter. Dessen Zukunft stand in Teilen des Aufsichtsrates, nicht jedoch bei Vorstand Jonas Boldt, auf dem Prüfstand. Klar ist schon jetzt: Beide können gelassen in die Saisonanalyse gehen. Weil es gelungen ist, Aufbruchstimmung zu erzeugen. In der Stadt und im Kader.

Spieler haben "eine gewisse Aura"

Mit dieser geht es nun nach Berlin. Der HSV hat in dieser Spielzeit nicht nur eine historische Aufholjagd vollendet, er hat auch durch fünf Last-Minute-Treffer acht Punkte eingefahren und in Rostock einen Rückstand gedreht. Walter findet deshalb: "Die Jungs sind grandios." Und sie kommen seinem geforderten Ideal nach. "Sie haben inzwischen eine gewisse Aura", schwärmt der 46-Jährige, "sie sind mutig, hören nie auf. Rostock war sinnbildlich für den neuen HSV." Einen, den er mit seiner Willensschulung ganz entscheidend geprägt hat. Und einer, der noch nicht fertig ist.

"Jetzt wollen wir uns in den zwei Bonusspielen noch mehr belohnen." Schonlau ergänzt: "Relegation ist wie Pokal. Und da haben wir es sehr ordentlich gemacht." In jenem Wettbewerb ist der HSV bis ins Halbfinale vorgedrungen, erst der SC Freiburg versperrte die Ausfahrt nach Berlin. Die wurde nun über Umwege genommen, und Glatzel kündigt an: "Der Bundesligist hat naturgemäß die höhere individuelle Qualität, aber jetzt wollen wir auch aufsteigen."

Sebastian Wolff