Rafael van der Vaart: »Wer zu Hause nichts kaputt schießt, wird kein großer Spieler

HSV-Star Rafael van der Vaart über die Trennung von Sylvie, Freistoß-Training im Wohnzimmer mit Sohn Damian und warum er seinen jungen Kollegen Backgammon beibringen will.

BILD am SONNTAG: Herr van der Vaart, sind Sie als Kind gern Achterbahn gefahren?

RAFAEL VAN DER VAART (30): Nein, ich habe total Höhenangst. Mir wird schon schwindelig, wenn ich mich auf einen Stuhl stelle. Ich bekomme dann sofort ein flaues Gefühl im Magen.

Dann muss Ihnen beim Auf und Ab des HSV diese Saison ja mehrfach schlecht geworden sein!

Ja, es waren ein paar Spiele dabei, bei denen sich mein Magen umgedreht hat. Wie das 1:5 in Hannover. Ich bin nach Niederlagen aber trotzdem nicht lang schlecht gelaunt und schlafe sogar besser, als nach Siegen. Ich möchte dann schnell zum nächsten Spiel kommen.

Haben Sie ein Ritual, um Frust abzubauen?

Mir geht es sofort besser, wenn ich meinen Sohn Damian sehe.

Ist Damian kritisch?

Er liebt Freistöße und mag es überhaupt nicht, wenn ich einen in die Mauer haue. Wir trainieren oft zu Hause, schießen Bälle über das Sofa. Da geht auch mal etwas kaputt, aber da bin ich nicht so streng. Wer zu Hause nichts kaputt schießt, wird kein großer Spieler (lacht).

Was fehlt dem HSV?

Wir sind zu verspielt, werden zu schnell ungeduldig. Wenn die Fans wie beim 1:1 gegen Fürth unruhig werden, wollen viele bei uns den Erfolg erzwingen und noch mehr selbst machen. Weniger wäre besser.

Glauben Sie an Europa?

Wir wollen am Ende zuschlagen! Mein Traum ist es, nach dem letzten Spieltag auf Platz 6 zu stehen. Uns muss klar sein: Mit 90 Prozent gewinnst du gar nichts in der Liga. Zehn Spiele bleiben. Zehnmal 100 Prozent!

Sie sind jetzt 30. Woran merken Sie das Alter?

Wenn ich mit den Jungs unter der Dusche stehe, fühle ich mich manchmal wie ein Fremder. Die meisten sind tätowiert, ich nicht. Im Bus haben alle ihr iPad oder eine Spiele-Konsole. Ich will jetzt mal ein Backgammon-Brettspiel mitbringen. Das kann keiner mehr bei uns.

Sind Sie netter zu jungen Spielern, als es die Stars zu Ihnen waren?

Definitiv! Früher gab es fast nur Haudegen. Richard Witschge zum Beispiel. Ein netter Kerl, mit rauem Ton. Als ich ihm bei Ajax den Stammplatz wegnahm und mal auf die Massagebank wollte, ließ er mich ewig warten, schaute böse: „Was willst du? Du hast meine Position! Jetzt willst du meine Liege! Nächste Woche meine Frau?“ Und in der Nationalelf saß ich neben Edgar Davids. Alle anderen ließen den Platz frei, weil er seine Ruhe wollte. Wenn ich ihm im Training dann den Ball abnahm, hat er mich danach oft umgehauen. Aber das war eine gute Schule.

Dürfen Ihre Mitspieler Sie im Training tunneln?

Wenn sie mutig sind, ja!

Sind Sie mit Ihrer Art zu spielen ein Auslaufmodell im Fußball?

Ja, ich denke schon. Ich genieße es, Spieler wie Özil oder Diego zu sehen. Klassische 10er, die Bälle verteilen, Tore vorbereiten und schießen. Solche Typen sterben immer mehr aus.

Waren Sie früher eigentlich schneller?

Ehrlich gesagt, war ich noch nie schnell (lacht). Ich war nie ein Usain Bolt. Ich habe das aber nie als einen Nachteil gesehen. Mein Motto war immer: Schneller denken als die Gegner laufen können. Entscheidend ist, dass du im Kopf voll da bist.

Ist Ihr Kopf nach der Trennung von Sylvie denn wieder frei?

Ich fühle mich viel freier als vor ein paar Wochen, genieße das Leben wieder mehr. Die Trennung war die schwerste Phase meiner Karriere. Sylvie und ich haben viel durchgemacht. Die Umzüge, ihre Krankheit, die Geburt von Damian. Das war auch wie eine Achterbahn. Es war nicht leicht, einen Platz im Kopf zu finden, an dem man die Trennung verarbeitet. So etwas ist schwer wegzustecken, wenn man eine empfindliche Person ist. Aber das gelingt mir immer besser.

Sind Sie eine empfindliche Person?

Wenn es um die Familie und meinen Sohn geht auf jeden Fall. Da bin ich ein Weichei. Da verstecke ich meine Gefühle nicht.

Sie mussten Damian nach der Trennung erklären, dass Papa nicht mehr zu Hause schläft. War das das schwerste?

Natürlich. Auf der anderen Seite hat er sich aber auch gefreut, dass Sylvie und ich ein normale, gute Beziehung haben. Wir haben uns nie vor ihm gestritten. Damian hat das super aufgenommen und findet das gar nicht so schlimm. Er hat jetzt ja auch zwei Spielzimmer und zwei Playstations. Das hat gewisse Vorteile für ihn (lacht).

Sylvie ist bei Heimspielen noch im Stadion. Gibt Sie Ihnen auch Kraft?

Ja, natürlich. Wir sehen uns ja auch noch häufig und gehen auch mal zusammen essen. Sylvie liebt den HSV und das Stadion. Ich würde ihr das nie verbieten.

Wie haben Sie es geschafft, sich die innere Ruhe wiederzuholen?

Ich habe viel mit Damian gemacht. Kleinigkeiten wie Versteckenspielen. Und ich habe viel nachgedacht. Natürlich ist eine Trennung hart und natürlich belastet mich das auch heute noch. Aber diese Erfahrung machen Millionen andere Menschen auch. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist es bestimmt etwas extremer. Aber ich denke, wir haben einen guten Weg gefunden. Ich schaue jetzt nur nach vorn und komme da wieder raus.

Was ist wahrscheinlicher: zweites Kind oder das WM-Finale 2014?

WM-Finale 2014! Wenn ich meine Leistung bringe, lädt mich Bondscoach Louis van Gaal bestimmt wieder ein.

Ist es denkbar, dass Sie wieder mit Sylvie zusammenkommen?

Im Moment weiß ich nicht, wie das gehen soll. Aber es ist schwer, etwas vorauszusagen. Wer kann das schon?

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