2. Bundesliga

Totalschaden des HSV - mit verheerenden Folgen?

Versuch mit Ewerton war auch ein Symbol für Heckings Scheitern

Totalschaden des HSV - mit verheerenden Folgen?

Frustriert: HSV-Coach Dieter Hecking (re.) während der Partie gegen den SV Sandhausen.

Frustriert: HSV-Coach Dieter Hecking (re.) während der Partie gegen den SV Sandhausen. picture alliance

Der Hamburger SV hat an diesem 34. Spieltag mit einem 1:5 gegen den SV Sandhausen einen Totalschaden erlitten. Und der könnte ihn noch weit länger beschäftigen und dazu führen, dass der 28. Juni 2020 einmal als ein bedeutender in die Klubgeschichte eingehen wird.

1860 und Lautern als warnende Beispiele

Auf den ersten Blick ist es ein Tag, an dem der einstige Bundesliga-Dino ein drittes Zweitligajahr besiegelt hat, obwohl Bielefeld gegen Heidenheim Schützenhilfe geleistet hatte. Das bedeutet zumindest einmal, dass der "große HSV" in Richtung "normaler Zweitligist" schrumpft, dass die Kluft nach oben immer größer wird - und angesichts der finanziellen Schieflage womöglich gar nicht mehr zu schließen ist? Traditionsvereine wie 1860 München oder der 1. FC Kaiserslautern haben es erlebt, wie nach jedem gescheiterten Rückkehr-Versuch sportliche und wirtschaftliche Substanz verloren ging. Irgendwann ging es nicht mehr um den Aufstieg in die Bundesliga, sondern auch im Unterhaus gegen den Abstieg. Und schließlich in die 3. Liga.

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Diese Wege müssen nicht zwingend die Zukunft des HSV skizzieren, zumindest abgespeckt aber wird auch künftig an der Elbe. Sportchef Jonas Boldt hatte schon während der vergangenen Woche angekündigt, dass ein Verkauf von Leistungsträgern künftig kein Tabu ist. Ganz konkret könnte es um Tim Leibold gehen, an dem Stuttgart Interesse zeigt. Der Linksverteidiger weinte nach dem 1:5 gegen Sandhausen hemmungslos - waren es schon Abschiedstränen?

Hecking: "Wir sind als großes Ganzes gescheitert"

Vor dem Abschied steht auch Dieter Hecking, seiner Ankündigung, unter bestimmten Voraussetzungen auch in der 2. Liga weitermachen zu wollen, zum Trotz. Zum einen ist der Coach nach diesem krachenden Scheitern mit einem Luxuskader keineswegs in der Position, Forderungen zu stellen, zum anderen sind auch die Zweifel an ihm gewachsen. Hecking ist daran gescheitert, sein Team mental auf den Aufstiegsdruck einzustellen und ihm taktische Lösungen zu vermitteln. Sein Versuch mit Ewerton am Sonntag war so etwas wie das Symbol des Scheiterns. Der Auftritt des Brasilianers mit der dicken Krankenakte ist mit schwerfällig noch überaus wohlwollend beschrieben, und Hecking sagt: "Ich wusste, dass er nicht bei 100 Prozent ist, hatte aber gehofft, dass er uns Sicherheit gibt. Ich übernehme dafür die volle Verantwortung."

Dass Hecking jene Verantwortung auch für das gesamte Scheitern übernimmt und nicht bei anderen sucht ("Ich muss mich als Trainer in die Analyse mit einbeziehen, wir sind als großes Ganzes gescheitert") ehrt hin, spricht ihn aber nicht von seinem Anteil an der (Fehl-)Entwicklung frei. Diese hatte bereits im Herbst begonnen, sich unmittelbar vor der Corona-Pause zugespitzt und war nach dem Re-Start nicht mehr aufzuhalten.

Trennung von Hecking wäre logischer Schluss

Der 55-Jährige sagt: "Wir müssen in der Analyse die richtigen Rückschlüsse ziehen." Einer dürfte sein, dass es kein "wir" mehr geben wird. Eine Trennung von Hecking wäre keineswegs der übliche Reflex, in Hamburg nach Schuldigen zu suchen, es wäre vielmehr der logische Schluss aus dem Ergebnis, dass es nicht funktioniert hat mit dem renommierten und in der Vergangenheit so erfolgreichen Coach und dem HSV.

Was offen bleibt, ist die Frage, was noch funktionieren kann in einem Klub, der allein seit der Corona-Pause demonstriert hat, dass jeder erreichte Tiefpunkt nur ein vorläufiger ist?

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