Wie sehr die Nerven blank liegen im hohen Norden, wurde schon bei der Aufstellung ersichtlich. Julian Pollersbeck fand den Weg von der Tribüne in die Startelf des Hamburger SV, der etatmäßige Keeper Daniel Heuer Fernandes schaffte es nicht einmal in den Kader. Pollersbeck kam so zu seinem Saisondebüt und half mit, dass sein Klub gegen den Abstiegskandidaten SV Wehen Wiesbaden 3:2 (2:1) gewann.
Der HSV verbleibt somit auf Platz drei. Doch ob der schmeichelhafte Sieg reicht, die Hoffnungen auf eine Rückkehr in die Erste Liga zu wahren, vermochte hinterher niemand so recht einzuschätzen. Der Tabellenzweite VfB Stuttgart gewann zeitgleich in Dresden 2:0, und von hinten drängt auch noch Heidenheim nach, das parallel Aue 3:0 bezwang.
In Schönheit gestorben
„Wir freuen uns darüber, dass wir die drei Punkte eingefahren haben. Wir wussten, wie zäh es gegen Wehen Wiesbaden werden kann“, sagte Doppeltorschütze David Kinsombi. „Wir haben noch fünf Spiele, es wäre gut, wenn wir die Spiele gewinnen. Dann haben wir gute Chancen, unsere Ziele zu erreichen. Jetzt geht’s ums Gewinnen. Uns wurde vorgeworfen, dass wir zuletzt in Schönheit gestorben sind. Heute war das ein dreckiger Sieg.“
In der Tat hatte es der HSV im Duell mit dem Vorletzten richtig schwer. Die Last-minute-Pleite vom Donnerstag in Stuttgart steckte wohl noch in den Köpfen der Spieler, vor allem Abwehrchef Timo Letschert war völlig von der Rolle. Erst ermöglichte er Manuel Schäffler mit einem katastrophalen Fehlpass die Führung. Dann verursachte er auch den Foulelfmeter, den Wiesbaden in der zweiten Hälfte für den Ausgleich nutzte. Erneut war Schäffler erfolgreich, der nun auch die Torschützenliste der Zweiten Liga mit 18 Treffern anführt.
„Da war er halt ein Stück weit weg vom Spiel. Aber Timo ist erfahren genug, dass er das wegsteckt, meinte HSV-Trainer Dieter Hecking hinterher zur Leistung des Niederländers – und fügte an: „Wir haben uns die letzten drei Spiele für deutlich bessere Leistungen nicht belohnt. Heute war es eine Frage des Willens. Wir haben nie aufgesteckt und immer an uns geglaubt. Von daher sind wir froh über den Sieg, aber mehr auch nicht.“
Stärkster Hamburger war David Kinsombi, der zweimal für den Tabellendritten traf (14., 76. Minute), Joel Pohjanpalo (27.) steuerte den dritten Treffer bei. Schäffler (12., 57./Foulelfmeter) war für die Hessen erfolgreich. „Ich bin heilfroh, dass ‚Kinso‘ seine Leistung gebracht hat“, sagte Hecking über seinen Matchwinner.
Den Wechsel im Tor begründete der Coach mit seinen Eindrücken aus den jüngsten Trainingseinheiten. „Ich kann es beurteilen, wer im Tor steht“, so Hecking. „Heuer Fernandes hatte drei richtig schwere Spiele, deswegen hat er heute von mir einen freien Tag bekommen. Das war keine außergewöhnliche Maßnahme.“
Aber eine erfolgreiche. Pollersbeck reagierte zweimal glänzend gegen Daniel-Kofi Kyereh (39.) und Marvin Ajani (74.) und dürfte auch in der nächsten Partie gegen Holstein Kiel im Kasten stehen.