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Fußball Abstiegskampf

Der letzte Akt des großen Bundesliga-Dramas

Redakteur
Millionen Fußballfans fiebern im Tabellenkeller

Vorletzter Spieltag der Fußballbundesliga - und es war noch mal richtig spannend! Meister ist - wie immer - München, aber wer steigt ab? Köln steht schon fest und wie steht es nun um den HSV?

Quelle: WELT/Matthias Herreiner

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Drei Mannschaften kämpfen am letzten Spieltag noch ums Überleben. Besonders der HSV steht im Fokus. Eigentlich waren die Hanseaten schon mausetot. Jetzt wittern sie ihre allerletzte Chance.

So ein Abstieg ist gar nicht so schlimm. Meint Carolin Kebekus. Die Kölner Kabarettistin hat gerade erst den schmerzhaften Gang ihres geliebten „Effzeh“ in die Zweite Liga verfolgen müssen, und allen von purer Angst vor der Zweitklassigkeit geplagten Anhängern kann sie nur zurufen: „Liebe kennt keine Liga.  Beim ersten Heimspiel“, so Kebekus im WELT-Gespräch, „stehst du trotzdem wieder im Stadion und musst erst mal gucken, wo liegt die Stadt, gegen die wir hier gerade spielen. Und wie kann man den Gegner schön fertigmachen. Aber die Reime mit den Hurensöhnen, die passen ja auf jeden Klub.“

Bevor es in Hamburg, Wolfsburg oder Freiburg so weit kommt, sind aber an diesem Samstag in eben jenen Städten noch jeweils 90 Minuten (plus Nachspielzeiten) angesagt, in denen es um die nackte Existenz in der Bundesliga geht. Der HSV oder der VfL – einer dieser Klubs wird den 1. FC Köln in die Zweite Liga begleiten. Der SC kann noch auf den Relegationsplatz abrutschen.

WELT hat die Ausganglage vor dem großen Abstiegsfinale gecheckt und beurteilt die Chancen der Kellerkinder.

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HSV, 17. Platz, 28 Punkte, 27:52 Tore

Beim einzigen verbliebenen noch nie abgestiegenen Gründungsmitglied der Bundesliga haben sie unter der Woche noch mal eine Charmeoffensive gestartet. Nach dem Training gab es Eis für die leidgeplagten Fans, die nun schon seit fünf Jahren im Volkspark den tristen Kampf um den Klassenverbleib ertragen müssen. Am Himmelfahrtstag pilgerten gar 2000 Anhänger zum Übungsgelände neben der Arena, um den Klub zu unterstützen. Nur ein Sieg gegen Borussia Mönchengladbach kann den erstmaligen Gang in die Zweitklassigkeit verhindern, aber dazu müsste auch noch der 1. FC Köln in Wolfsburg siegen. „Mein Fokus liegt auf dem Gladbach-Spiel. Erst müssen wir unsere Hausaufgaben erledigen, dann können wir mal nach Wolfsburg linsen und sehen, ob es gereicht hat“, sagt Christian Titz.

Dem neuen Trainer haben sie es zu verdanken, dass überhaupt noch Hoffnung herrscht in der Hansestadt. Aus sieben Spielen holte er mit seiner Mannschaft zehn Punkte, nicht wenige meinen, dass der Klub schon gerettet wäre, wenn man den vormaligen Coach der zweiten Mannschaft deutlich früher befördert hätte. „Gefühlt steht der HSV auf Rang zehn, gesichert. Dieses Gefühl hat sich der HSV mit Christian Titz hart erarbeitet. Das Team hat Willen und Charakter gezeigt“, sagt Matthias Sammer. „Wenn der HSV das über die ganze Saison mit Christian Titz gezeigt hätte, wäre er doch niemals in der aktuellen Situation“, so der TV-Experte und BVB-Berater.

Die große Zuversicht beim HSV

Beim HSV herrscht trotz des Abstiegskampfes Volksfeststimmung. 2000 Fans erscheinen am Vatertag zum Training und machen den Profis Mut für das Saisonfinale. Trainer Titz soll ligaunabhängig verlängern.

Quelle: WELT/Isabelle Bhuiyan

Neben der entsprechenden Zählerausbeute begeistern die Hamburger unter Titz mit einem forschen Spielstil. Getreu dem Motto „Wenn schon runter, dann aber mit fliegenden Fahnen“ hat der Trainer dem HSV nach desolaten Auftritten unter den Vorgängern Bernd Hollerbach und Markus Gisdol neues Leben eingehaucht. „Er verwaltet nicht, er lässt agieren. Ballbesitz, Offensive und Mut“, erklärt Sammer. „Er lässt nicht konservativ defensiv agieren, er will nach vorne spielen. Diese Art und Weise gefällt mir.“

Viele im Klub trauen dem 47-jährigen Titz auch einen möglichen Neuaufbau in Liga zwei zu. Doch so weit wollen sie noch nicht gehen und am letzten Spieltag vor ausverkauftem Haus alles dafür geben, dass die Bundesligauhr im Volksparkstadion nicht in der Nacht zum Sonntag in den Ruhemodus geschaltet wird. „Im Fußball ist unglaublich viel möglich“, sagt Titz. „Es wird eine Nervenschlacht. Mit unserem eigenen Stadion und der Wucht der Fans haben wir durchaus eine reelle Chance, unser Heimspiel zu gewinnen.“

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Ein Abstieg würde neben dem immensen Imageschaden auch wirtschaftliche Folgen haben. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) beziffert den Einkommens- und Beschäftigungseffekt durch den HSV als Erstligist auf rund 100 Millionen Euro oder rund 700 bis 800 Arbeitsplätze. Der Gang in die Zweite Liga würde wohl nicht nur im Klub einen Stellenabbau zur Folge haben, sondern auch Jobs in Kneipen und Restaurants kosten. Der HWWI-Ökonom Henning Vöpel erwartet einen Verlust von 30 Millionen Euro Wertschöpfung für Stadt und Verein im ersten Zweitligajahr, im zweiten sogar einen von 50 Millionen Euro. Zuschauerschwund, fehlende TV-Gelder, rückläufige Verkaufszahlen bei Merchandising-Produkten und abspringende Sponsoren könnten dem Klub in Summe schwer zusetzen.

Heißt im Umkehrschluss, dass der HSV wohl wieder Mäzen und Anteilseigner Klaus-Michael Kühne anpumpen müsste, um in Liga zwei überhaupt den direkten Wiederaufstieg anzupeilen. Doch zuletzt hielt sich die Lust des Milliardärs auf weitere milde Gaben eher in Grenzen. Rein kaufmännisch betrachtet sei der HSV eines seiner schlechtesten Investments überhaupt gewesen, ließ Kühne wissen.

VfL Wolfsburg, 16. Platz, 30 Punkte, 32:47 Tore

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Die Einschätzung von Kühne kann der Volkswagenkonzern sicher eins zu eins auf den VfL übertragen. 100 Millionen Euro pro Saison pumpt der Autobauer in den Verein, doch im nationalen Ansehen ist die Fußball-Abteilung ungefähr so populär wie die vom Dieselskandal zermürbte und zersprengte Vorstandsriege. Der VfL ist ein Team aus Söldnern, die es nicht schaffen, als Mannschaft auf dem Platz zu funktionieren. Etliche Spieler betrachten Wolfsburg nur als Durchgangsstation, kaum jemand identifiziert sich mit dem Klub. „Wolfsburg ist für mich unerklärlich“, meint Sammer. „Die Art und Weise, das Auftreten, diese Behäbigkeit.“

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Das hat dazu geführt, dass eines der bestbezahlten Teams der Bundesliga nur drei Jahre nach dem Pokalsieg zum zweiten Mal in Folge um den Klassenverbleib kämpft. Doch anders als in der Vorsaison ist ein Vakuum auf der Managerebene entstanden. Sportdirektor Olaf Rebbe wurde am Abend vor dem so wichtigen Heimspiel gegen den HSV (1:3) entlassen. Die Geschäftsführer Wolfgang Hotze und Tim Schumacher sind eher Fans als Fußball-Fachleute. Und so ist der als Feuerwehrmann engagierte Bruno Labbadia ziemlich allein zu Haus. Immer wieder muss der Trainer Auskunft geben zu strukturellen Problemen auf der Managementebene – er ist davon zusehends genervt.

Labbadia, einst in Hamburg und Stuttgart als Retter gefeiert, hat aber selbst viel eingebüßt von seinem Nimbus. Sein Punktschnitt liegt mit 0,6 Zählern pro Spiel deutlich unter dem seiner Vorgänger Andries Jonker (1,47) und Martin Schmidt (1,18). Selbst vom eigenen Anhang wird der Coach inzwischen verspottet: „Wir steigen ab, wir kommen nie wieder, wir haben Bruno Labbadia“, singen die Fans seit einigen Wochen im Stadion. „Das habe ich so noch nie erlebt. Als Mensch gefällt das einem natürlich nicht“, erklärt der Coach.

Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um am Samstag gegen die bereits abgestiegenen Kölner zu punkten. Denn anders als in Hamburg scheint in Wolfsburg Untergangsstimmung zu herrschen. „Die Unruhe zieht sich durch alle Ebenen wie ein roter Faden. Das kommt auch ganz unten bei den Spielern an“, sagte Mittelfeldspieler Maximilian Arnold der „Sport Bild“. Er muss sich nun mit seinen Mannschaftskollegen einem 1. FC Köln stellen, der nichts mehr zu verlieren hat. Und vielleicht gerade deshalb äußerst gefährlich ist. „Das soll keine Kaffeefahrt für uns werden“, sagt Kölns Linksverteidiger Jonas Hector. „Wer uns die letzten Spiele hat spielen sehen, der weiß, dass wir nichts abschenken. Wir haben bislang immer alles reingeworfen, egal wie aussichtslos es war. So gehen wir das letzte Spiel auch an. Das will keiner, dass einer fragt: ‚Was haben die denn da gemacht?‘“

Und was sagt Labbadia? Er flüchtet sich in Durchhalteparolen, die zuletzt schon nicht gefruchtet haben. „Wir haben es selber in der Hand, zumindest was die Relegation betrifft. Da darf man sich nicht aufgeben.“ Ein Remis würde dem VfL immerhin den Relegationsplatz sichern, da der Verein das deutlich bessere Torverhältnis gegenüber dem HSV hat.

SC Freiburg, 15. Platz, 33 Punkte, 30:56 Tore

Hart treffen kann es auch noch die tapferen Breisgauer. „Das gallische Dorf des deutschen Fußballs“ (Stürmer Nils Petersen im WELT-Interview vor dem Saisonstart) hat aus den zurückliegenden zehn Spielen nur eines gewonnen. Es droht zwar nicht der direkte Abstieg, wohl aber das Abrutschen auf den Relegationsrang. Im Heimspiel gegen den FC Augsburg muss der Sport-Club einen Punkt holen, um sich aller Sorgen zu entledigen.

„Abstiege sind sportlich gesehen ein Horror. Das ist furchtbar“, sagt Freiburgs Trainer Christian Streich. „Für die Psyche ist das wirklich der Wahnsinn.“ Er weiß, wovon er spricht. 2015 musste er am letzten Spieltag mit seinem Verein in Hannover auch nur ein Remis erreichen, um den Abstieg zu verhindern. Doch Freiburg unterlag 1:2, die Konkurrenz gewann und der Klub rutschte noch auf den 17. Tabellenplatz ab.

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Nun hoffen sie beim SC darauf, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Dazu müsste das Team gegen Augsburg verlieren und Wolfsburg sein Heimspiel gegen Köln gewinnen. Und selbst dann hätten die Freiburger ja noch die Chance, den Klassenverbleib in der Relegation gegen Holstein Kiel (17. und 21. Mai) zu sichern. „Ich bin gottfroh, dass wir uns mit einem Unentschieden retten können“, meint Streich. „Unsere Situation hat sich zum Glück verbessert.“ Und Stürmer Tim Kleindienst verspricht: „Wir werden alles reinhauen, was wir noch im Tank haben.“

Offenbar eine ganze Menge – trotz kräftezehrender Saison, die für den SC schon am 27. Juli 2017 mit den vermasselten Qualifikationsspielen für die Europa League gegen NK Domzale begonnen hatte. Freiburg wäre nicht der erste Klub, der nach internationalen Träumen binnen einer Spielzeit hart landet. Auch deshalb wollen sie noch einmal viel reinlegen in die Partie gegen Augsburg. „Vor dem großen Finale haben wir alles in der eigenen Hand, was natürlich schön ist. Das heißt, wir müssen nur die Nerven behalten – auch wenn das leichter gesagt als getan ist“, erklärt Torhüter Alexander Schwolow. „Wenn wir insgesamt nüchtern und rational an die Sache herangehen, ist es auf jeden Fall im Rahmen des Möglichen, gegen Augsburg zu punkten.“

Derlei rationales Rangehen hilft vielleicht, um den Horror vergangener Tage zu vermeiden. Und so bietet der letzte Akt im Abstiegskampf zumindest das, was der Bundesliga in dieser Saison oft abgegangen ist: Spannung, Drama – und ein völlig offenes Ende.

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