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Hamburg HSV im Abstiegskampf

Neuer Mut, egal wohin es geht

Die Lage ist paradox: Obwohl der HSV weiterhin fünf Punkte von der Relegation entfernt ist, herrscht gute Laune und auch Zuversicht. Und die hat nicht mehr allein mit dem Klassenverbleib zu tun.

Nach dem 1:0-Sieg gegen den SC Freiburg hat der Hamburger SV neuen Mut geschöpft, den ersten Abstieg aus der Fußball-Bundesliga doch noch zu vermeiden. Am kommenden Sonnabend könnten die Hanseaten bei einem Sieg beim direkten Abstiegskonkurrenten VfL Wolfsburg den Abstand zumindest auf den Relegationsplatz auf zwei Punkte verkürzen. WELT stellt die Protagonisten der neuen Stimmung beim HSV vor.

Frank Wettstein begab sich nach dem überlebenswichtigen „Dreier“ am Sonnabend gegen die Breisgauer ins Getümmel. Der HSV-Vorstandschef wirkte einigermaßen gelassen, ohne dabei den Ernst der Lage zu verkennen. So gab Wettstein am Rande der Interviewzone einiges zur Situation der Hamburger zu Protokoll.

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Quelle: Getty Images

Die Stimmung um den Verein habe sich „total gedreht“, sagte der kommissarische Vorstandsboss. Ein Grund sei das mutigere, offensivere Spiel, das HSV-Trainer Christian Titz mit einer stark verjüngten Mannschaft praktizieren würde, so der 44-Jährige.

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Wettsteins Coup war indes, dass er in der vergangenen Woche sowohl die Lizenz für die Erste als auch Zweite Liga präsentieren konnte. Der HSV ist durch jahrelange Misswirtschaft hoch verschuldet. Doch die Finanzen sind offengelegt, der schwierige Konsolidierungskurs ist längst eingeleitet. „Neuer Mut, egal wohin die Reise geht“, könnte die Devise lauten.

Mitte März trug Wettstein die Entscheidung mit, den U21-Trainer Titz zum Chefcoach zu befördern. „Unser Trainer macht seine Sache richtig gut“, stärkte der joviale Rheinländer in der vergangenen Woche diesem den Rücken und stellte somit Titz eine Vertragsverlängerung über den Sommer hinaus in Aussicht. Solange er noch kommissarisch im Amt sei, werde er und nicht Aufsichtsratsboss Bernd Hoffmann die Trainerentscheidung fällen. Spätestens bis Ende Mai werde dies geschehen, versicherte Wettstein.

Hoffmanns Rückkehr in leitende Führungsgremien schlug hohe Wellen. Seit Februar ist der 55-Jährige Präsident des Gesamtvereins und übernahm am 7. März auch den Vorsitz des Aufsichtsrats der Fußball AG. Einen Tag später flogen der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt raus. Der selbstbewusste Macher, zwischen 2002 und 2011 selber HSV-Vorstandschef, verkündete den Personalwechsel mit den Worten: „Das ist jetzt der Neustart, den wir brauchen.“ Viele unterstellen ihm, selber heiß auf die erneute Führung im operativen Bereich zu sein. Hoffmann dementiert und delegiert im Stillen.

Titz nahm keine Rücksicht auf Namen

Die Trainerfrage bleibt Vorstandssache, der Aufsichtsrat muss dessen Vorschläge jedoch abnicken. Zur Chefsache hat Hoffmann dann allerdings die Installierung eines neuen Sportchefs gemacht. Dieser soll mit viel Macht ausgestattet werden und auch einen Vorstandsposten bekommen. Viele erwarten hier eine große, zukunftsträchtige Lösung des einstigen Zampanos.

Trainer Titz schaffte es binnen weniger Wochen, den HSV in die Spur zu bringen. Mit zwei Siegen, zwei Niederlagen und einem Remis hat der 47-Jährige eine ausgeglichene Bilanz vorzuweisen, doch hat Titz eine spielerische Wende eingeleitet und steht sinnbildlich für einen innerhalb weniger Wochen eingezogenen neuen Spirit im Volkspark. Titz nahm keine Rücksicht auf Namen, verbannte ehemalige Stammspieler und zog unbefleckte Akteure aus der U21, die er zuvor gecoacht hatte, in den Kader oder in die Startelf.

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Unter Titz’ Regie wird das HSV-Spiel von hinten mit öffnenden Pässen aufgebaut, lange Bälle sind tabu. Im Offensivbereich sorgt ein neuer Stil bei Ballbesitz und -stafetten im gegnerischen Strafraum für Gefahr. „Ich glaube, vor sechs Wochen hat uns jeder auch spielerisch für tot erklärt. Die Tabelle ist zwar immer noch bescheiden, aber man sieht an der Atmosphäre im Stadion, dass die Leute genau diesen Weg akzeptieren“, legte Wettstein nun nach.

Hunt und Holtby überzeugen wieder

Titz, der auch schon die U17 der Rothosen coachte, steht für ein einheitliches Spielsystem aller HSV-Teams. Seit Juli 2017 wohnen 14 Spieler der U16 bis U21 des HSV im neuen Nachwuchsleistungszentrum, gleich neben dem Volksparkstadion. Auch diese Nähe zwischen Nachwuchs und Profis steht für eine neue Kultur innerhalb des Vereins.

Der introvertierte Sportdirektor Bernhard Peters zieht hier erfolgreich die Fäden. Sämtliche Nachwuchsteams des HSV spielen in den höchsten deutschen Spielklassen, das Regionalligateam kann sogar noch in die Dritte Liga aufsteigen. Dort gewachsene Youngster wie der 18 Jahre alte Fiete Arp und der 20-jährige Tatsuya Ito haben längst bei den Profis reüssiert. Die Philosophie, statt auf teure Transfers auf Eigengewächse zu setzen, scheint langsam Früchte zu tragen.

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Der Mix aus Jung und Alt hat auch für eine seit Langem vermisste Hierarchie auf dem Platz gesorgt. Die lange gescholtenen Routiniers und Großverdiener Aaron Hunt und Lewis Holtby avancieren in der finalen Saisonphase zu Leistungsträgern und Leitfiguren. Der 31-jährige Hunt wirkt im Spätherbst seiner Karriere fit wie nie und fügt sich sogar seiner neuen Rolle als Stoßstürmer. Der 27 Jahre alte Holtby traf in den vergangenen vier Spielen dreimal und besticht ebenfalls durch Kampf, Wille und Einsatz.

„Wir sind die Jäger, nicht die Gejagten“

Holtby war bereits ausgemustert und landete direkt von der Tribüne wieder in der Startelf. Dass Titz bereits sein Privattrainer gewesen war, hat längst sein Geschmäckle verloren, Holtby zahlt Vertrauen mit Leistung zurück. „Wir sind die Jäger, nicht die Gejagten, und das bekommt uns sehr gut“, warnte er nun die Konkurrenz im Tabellenkeller davor, dass der HSV mit neuem Selbstvertrauen in die entscheidenden Wochen geht.

„Wolfsburg ist ein Sechs-Punkte-Spiel. Verlieren wir, sind wir weg, gewinnen wir, kommen wir auf zwei Punkte heran“, fasste Titz zusammen. Und sein Team setzt weiter auf die „Hellas-Wochen“. Nach dem Erfolg über Freiburg hat Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos seine Mitspieler und das Trainerteam erneut in ein griechisches Restaurant eingeladen – schon zum dritten Mal binnen kurzer Zeit. „Er hat es nach dem Sieg wieder versprochen“, so Titz. Das Ganze sei förderlich für den Teamgeist. „Ist doch klasse! Man kommt zusätzlich noch mal zusammen und spricht miteinander.“ Er werde seine Akteure auf die neue Situation vorbereiten. „Was wir benötigen, ist Gier auf den nächsten Sieg.“

Die Auferstehung des Dinos

Der Hamburger SV hat zumindest für einen Tag nur zwei Punkte Rückstand auf die Nichtabstiegsplätze. Entsprechend überschwänglich ist die Freude der krisengebeutelten Fans.

Quelle: WELT

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