Bundesliga

"Ich möchte einfach leben": Flüchtling Jatta wird HSV-Profi

Gambier hat keine Vereinserfahrung - Tricks im TV abgeschaut

"Ich möchte einfach leben": Flüchtling Jatta wird HSV-Profi

HSV-Profi ohne Vereinserfahrung: Bakery Jattas Vita ist spielfilmreif.

HSV-Profi ohne Vereinserfahrung: Bakery Jattas Vita ist spielfilmreif. picture alliance

Wenn der Begriff "Straßenfußballer" schon mal irgendwann gepasst hat, dann ganz sicher bei diesem Bakery Jatta. Vereine? In seiner Laufbahn nicht existent. "Das gab es dort nicht, höchstens mal am Wochenende konnte man ein betreutes Training mitmachen. Ansonsten waren wir auf uns gestellt, wir haben auf der Straße Fußball gespielt und uns selbst die Dinge beigebracht." Mit einer besonderen Methode, wohlgemerkt. Seine Tricks schaute er sich nämlich bei den Großen der Branche ab - im Fernsehen.

Dort ist er inzwischen selbst wegen seiner bewegenden Lebensgeschichte und seines sportlichen Talents immer häufiger zu sehen. Doch ist Jatta eine wirkliche Verstärkung oder doch nur eine Art PR-Gag? Sportchef Dietmar Beiersdorfer lässt keinen Zweifel daran, dass ersteres der Fall ist. "Wir sind von seinen Fähigkeiten überzeugt und werden ihm alle Unterstützung geben, die er benötigt, um sich sportlich und sozial in Hamburg und beim HSV einzubringen und die ersten Schritte im Profifußball zu machen", erklärt Beiersdorfer auf der HSV-Website. Ab dem 27. Juni wird der Offensiv-Allrounder fest mit dem Profi-Team trainieren.

Hamburger SV - Vereinsdaten
Hamburger SV

Gründungsdatum

29.09.1887

Vereinsfarben

Blau-Weiß-Schwarz

mehr Infos

Über Kannenbergs Akademie zum HSV-Probetraining

Jattas Vita ist eine beeindruckende Mixtur aus Unzufriedenheit, Risiko, Angst, Glück und Mut. Dass die Flucht aus Gambia nach Italien über Wüste und Meer mit der Endstation Bremen lebensgefährlich war, klingt unüberhörbar in Jattas Worten mit. Zu den Einzelheiten seiner Flucht schweigt er aber. "Ich wusste, dass ich diesen schwierigen und gefährlichen Weg auf mich nehmen musste, wenn ich die Chance auf eine Zukunft haben wollte. Dafür habe ich viele Gefahren auf mich genommen", erzählt Jatta im HSV-Interview. In Bremen angekommen kam er bei der Akademie des Ex-Boxers Lothar Kannenberg unter. Kannenberg kümmert sich um benachteiligte Jugendliche und bietet diesen vorübergehend ein Zuhause. Dem Sport wird dort eine große Rolle eingeräumt.

Dass Jatta bei den Tricks im TV gut aufgepasst hatte, wurde schnell ersichtlich. Efe-Firat Aktas kümmerte sich fortan um die Betreuung und Beratung Jattas. Vormittags Schule, abends Training beim Bremer SV. Schließlich vermittelte Aktas ein Probetraining beim HSV. Und den Hanseaten gefiel, was sie da sahen. "Bakery ist ein überaus interessanter Spieler, und das nicht wegen seiner besonderen Geschichte, sondern aufgrund seiner sportlichen Anlagen", sagte Bruno Labbadia im Januar 2016. "Als ich das erste Mal in Hamburg und beim HSV war, habe ich eine sehr besondere Atmosphäre gespürt. Dietmar Beiersdorfer und Bruno Labbadia waren freundlich, hilfsbereit, interessiert - und all das, obwohl ich noch nicht ein einziges Mal mit der Mannschaft trainiert hatte", so Jatta nach seiner Vertragsunterzeichnung. "Ich habe beim HSV einfach das Gefühl, hier genau richtig zu sein."

Das ganze Leben.

Bakery Jatta auf die Frage, was denn die größte Umstellung für ihn gewesen sei.

Jatta wird noch Zeit zur Integration brauchen, zu viele neue Eindrücke gilt es zu verarbeiten. Der Kulturschock steckt noch in den Gliedern, wie aus seinen Äußerungen deutlich wird. Wie er sein Leben in Deutschland empfinde: "Sehr unterschiedlich zu meinem bisherigen Leben." Wie sein erstes halbes Jahr in Deutschland aussah: "Für mich war das alles neu und aufregend." Wie es um die Sprache stehe: "Es entwickelt sich gut. Aber ganz ehrlich: Die deutsche Sprache ist unglaublich schwer." Aber, so sagt Jatta: "Um ein Bestandteil der Gesellschaft zu werden und die Kultur Deutschlands verstehen zu können, muss ich die Sprache beherrschen." Die Frage, was denn die größte Umstellung für ihn gewesen sei, beantwortete er schlicht mit: "Das ganze Leben."

Es ist eine ganz neue Welt für Jatta, und in dieser steht er nun auch noch im Rampenlicht - vielleicht bald sogar auf der großen Bühne Bundesliga. Die andere Welt will er endgültig hinter sich lassen. "Ich habe viel erlebt. Deshalb möchte ich nicht mehr zurück-, sondern nur noch nach vorn schauen. Ich möchte einfach leben. So leben, wie es die Menschen in Deutschland tun."

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