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Hamburger SV Uwe Seeler

„Über den HSV schütteln alle den Kopf“

Uwe Seeler ist eine HSV-Legende: Der Nationalstürmer spielte nur für diesen einen Verein in seiner aktiven Zeit und schlug viele lukrative Angebote aus dem Ausland ab Uwe Seeler ist eine HSV-Legende: Der Nationalstürmer spielte nur für diesen einen Verein in seiner aktiven Zeit und schlug viele lukrative Angebote aus dem Ausland ab
Uwe Seeler ist eine HSV-Legende: Der Nationalstürmer spielte nur für diesen einen Verein in seiner aktiven Zeit und schlug viele lukrative Angebote aus dem Ausland ab
Quelle: picture alliance / dpa
Vor dem Saisonstart des Hamburger SV am Sonntag bei Schalke 04 gibt es wieder einmal Zweifel an der Qualität der Mannschaft. Klublegende Uwe Seeler spricht im „Welt“-Interview über seine Erwartungen.

Die Welt: Herr Seeler, Sie kannten den Satz „Geld schießt keine Tore“ schon in Ihrer ersten Bundesligasaison 1963. Aber stimmt diese Aussage auch 50 Jahre später noch?

Uwe Seeler: Ich habe so meine Zweifel, ob dieser Satz noch immer gilt. Die gut verdienenden Profis von heute können sich wohl nur schwer vorstellen, wie wir seinerzeit so angefangen haben. Auch damals wollte jeder den Berufsfußball, aber die Anfänge waren trotzdem bescheiden. Ich habe in meiner ersten Bundesligasaison 1250 Mark verdient, natürlich brutto. Und weil man davon nur schwer ein Zuhause in Hamburg finanzieren konnte, war es für mich ganz selbstverständlich, dass ich damals noch arbeiten gegangen bin.

Die Welt: Brauchten Sie da eine Genehmigung?

Seeler: Selbstverständlich. Ich brauchte die Genehmigung des Deutschen Fußball-Bundes, weil ich ja Nationalspieler war, und ich brauchte die Genehmigung des HSV. Aber unser Trainer Günther Mahlmann hat immer gesagt, dass ich beruflich so viel unterwegs sein dürfte, wie ich wollte. Das fand ich dann auch wiederum komisch.

Die Welt: Warum?

Seeler: Na ja, es war doch seltsam, dass es ihm offenbar egal war, ob ich nun zwei oder drei Tage nicht mittrainieren konnte. Ich habe ihn dann auch zur Rede gestellt. Und er sagte mir dann, dass er mich doch kennen würde. Er wisse doch, dass ich auch unterwegs mein Trainingsprogramm abspulen würde, deswegen habe er keine Bedenken. Also bin ich auch weiterhin bis zu 80.000 Kilometer pro Jahr unterwegs gewesen – und habe dann eben unterwegs meine Übungen gemacht.

Die Welt: Wie gefällt Ihnen denn der Fußball von heute im Vergleich zu damals?

Seeler: Wenn man sich Spiele von der Nationalmannschaft, von Bayern oder von Dortmund anguckt, dann kann man als Fußballfan ja nur schwer meckern. Das sieht doch alles schon sehr ansehnlich aus. Natürlich ist das auch ein ganz anderer Fußball als der, den wir damals gespielt haben. Aber ich glaube doch, dass ich als Stoßstürmer auch im heutigen Fußball noch meinen Platz gefunden hätte. Stürmer braucht man doch immer.

Die Welt: Sie galten immer als sehr ehrgeizig. Hat es Sie damals nicht gestört, dass Ihnen in der Bundesliga mit dem HSV die großen Erfolge verwehrt geblieben sind?

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Seeler: Ach, ich konnte eigentlich ganz gut damit umgehen. Wir hatten ja sehr schöne Erfolge vor dem offiziellen Start der Bundesliga. Doch aus der großen Mannschaft von 1960, als wir die deutsche Meisterschaft gewannen, sind dann eben nicht mehr so viele Spieler übrig geblieben. Und jedes Jahr, bevor ich in den Urlaub ging, habe ich immer gesagt, dass der Verein neue Spieler holen muss. Doch der HSV war schon damals sehr hanseatisch geprägt und wollte einfach kein Geld ausgeben. Letztendlich, das muss man sich ganz ehrlich eingestehen, waren wir damals eben nur eine mittelmäßige Mannschaft.

Die Welt: Dabei wurde oft behauptet, dass eigentlich nur der HSV das Zeug gehabt hätte, den übermächtigen Bayern das Wasser zu reichen.

Seeler: In der Theorie stimmt das ja auch. Mit der Hamburger Wirtschaft im Rücken und mehr richtigen als falschen Entscheidungen hätte der HSV den Bayern tatsächlich Paroli bieten können. Hamburg hätte es verdient, eine Mannschaft zu haben, die jedes Jahr zu den besten drei Vereinen gehört. Von diesem Anspruch ist der HSV momentan allerdings noch ein wenig entfernt. So ein Umbruch, der 2011 begonnen wurde, dauert eben seine Zeit. Man muss Geduld haben – und ich glaube auch, dass die Fans das genauso sehen.

Die Welt: Vorstandschef Carl Jarchow hat dagegen gesagt, dass der HSV schon in dieser Saison auf Augenhöhe mit Vereinen wie Schalke 04 sei.

Seeler: Ich mag unseren Präsidenten ja, aber mit dieser Aussage hat er sich und der Mannschaft keinen Gefallen getan. Ich kann Carl Jarchow sehr gut leiden und hoffe, dass er mir nicht böse ist. Aber ich muss schon sagen, dass dieser Anspruch unrealistisch ist.

Die Welt: Jarchow ist gemeinsam mit Joachim Hilke im März 2011 angetreten und hat den längst fälligen Umbruch eingeleitet. Dauert Ihnen dieser Umbruch nun nicht ein wenig zu lange?

Seeler: Nein, das dauert eben. Das Einzige, was ich monieren muss, ist dieses ständige Gezanke hinter den Kulissen. Ich würde mir ein größeres Miteinander beim HSV wünschen – auf und abseits des Platzes.

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Die Welt: Hat der HSV ein Strukturproblem?

Seeler: Gewisse Dinge im Verein sind schon schwierig, das muss man einfach mal so sagen. Ich finde es beispielsweise schwierig, dass bei jedem Transfer der gesamte Aufsichtsrat erst mal zustimmen muss. Bis alle elf Kontrolleure ihre Zustimmung gegeben haben, ist es möglicherweise schon zu spät. Ein kleineres Gremium mit Fachleuten, die Ahnung von Fußball haben, würde dem HSV schon besser zu Gesicht stehen. Der HSV kann doch nicht jahrelang die gleichen Fehler machen.

Die Welt: Aufsichtsrat Jürgen Hunke und Ex-Kontrolleur Otto Rieckhoff bemühen sich derzeit um eine Strukturreform, sogar eine Ausgliederung wird thematisiert. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Seeler: Ich halte diese Diskussion für die Zukunft des HSV für sehr wichtig. Neue Strukturen müssen kommen, die Frage ist nur, ob die Mitglieder das auch so sehen. Auch hier sind die Bayern Vorreiter. Die Münchner haben mehr als 100.000 Mitglieder, und trotzdem haben sie sehr professionelle Strukturen.

Die Welt: Die Bayern haben allerdings auch Anteile des Vereins an Firmen wie Adidas oder Audi verkauft.

Seeler: Man kann das Rad nicht mehr zurückdrehen. Aber ich bin mir sicher, dass man das regeln kann, sofern alle im Interesse des Vereins handeln. Das sage ich aber auch schon seit Jahren. Im Moment ist es doch leider noch so, dass alle immer noch den Kopf über den HSV schütteln. Renommierte Firmen könnten sich das doch gar nicht erlauben, momentan beim HSV einzusteigen.

Die Welt: Warum nicht?

Seeler: Überall, wo man hinkommt, wird man doch darauf angesprochen, was da eigentlich im Aufsichtsrat los ist. Das ist doch schon seit zehn Jahren so.

Die Welt: Sind Sie dem HSV noch böse wegen des öffentlichen Streits rund um den Wechsel Ihres Enkels Levin Öztunali zu Bayer Leverkusen?

Seeler: Ich hatte nie ein Problem mit dem HSV, der HSV hatte vielleicht ein Problem mit mir. Aber das ist alles vorbei und vergessen. Fakt ist einfach, dass der HSV kein Konzept hatte und Leverkusen hatte ein Konzept. Deswegen ist Levin zu Bayer gewechselt. Aber ehrlich gesagt hat mit mir auch nie jemand vom HSV darüber gesprochen. Und trotzdem bleibt der HSV immer mein Verein.

Die Welt: Könnten Sie sich noch mal vorstellen, ein Amt zu übernehmen?

Seeler: Nein, das werde ich mit Sicherheit nie mehr machen. Ich schätze sehr, dass ich unabhängig bin und deswegen auch unabhängig meine Meinung sagen kann.

Die Welt: Wie hat Ihnen der schmeichelhafte Pokalsieg gegen Schott Jena gefallen?

Seeler: Ich habe das Spiel gesehen, und ein Leckerbissen war das nicht. Aber ich finde das auch ganz normal in dieser frühen Phase der Saison. Wichtig ist doch nur, dass wir weiter sind.

Die Welt: Woran hapert es noch?

Seeler: Ich habe mir in diesem Jahr fest vorgenommen, nicht so viel zu kritisieren, da bitte ich Sie um Verständnis. Ich denke aber auch, dass man ein erstes Zwischenfazit ohnehin erst nach fünf oder sechs Spieltagen ziehen kann.

Die Welt: Oliver Kreuzer, der neue HSV-Sportchef, ist nicht ganz so zimperlich mit seiner Kritik. Er hat nach dem 0:4-Debakel im Testspiel gegen Dresden ein Mentalitätsproblem angeprangert.

Seeler: Er darf und muss das auch. Ich finde es gut, wenn die Verantwortlichen nichts beschönigen und ab und an auch mal kritische Worte finden. Ein schlechtes Spiel kann man nicht schönreden. Dabei sollte man jetzt nicht auf den jungen Wilden herumhacken. Die erfahrenen Spieler wie Heiko Westermann oder Rafael van der Vaart müssen vorweggehen. Dabei hoffe ich nur, dass irgendwann auch mal wieder ein Eigengewächs zu den Säulen der Mannschaft gehört. Das war früher normal, heutzutage schaffen das nur noch die Bayern.

Die Welt: Ist das nicht auch ein Hauptgrund für den Erfolg der Münchner?Seeler: So ist es. Die Bayern haben Stars wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Thomas Müller oder Holger Badstuber selbst ausgebildet, das ist uns leider nie gelungen. Wir haben die vergangenen zehn Jahre verschlafen, das muss man so deutlich sagen dürfen. Da braucht sich dann auch niemand zu wundern, wenn der Titel immer in den Süden geht.

Die Welt: Zu Ihrer Zeit waren die meisten Meisterschaften noch hart umkämpft. Heutzutage scheint mit Bayern der Meister bereits vor dem ersten Spiel festzustehen.

Seeler: Davon muss man wohl ausgehen. Ich bin mir sicher, dass die Bayern mit all ihren Stars sogar zwei Mannschaften bilden könnten, die beide unter den Top drei der Bundesliga zu finden wären. Aber wer weiß, vielleicht können die Dortmunder die Münchner zumindest ein bisschen ärgern. Das wäre wünschenswert, weil es doch langweilig wäre, wenn die Bayern schon im Winter als Meister feststünden.

Die Welt: Auf welchem Platz sehen Sie denn den HSV? Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hat den HSV auf Platz 17 getippt.

Seeler: Ganz so negativ sehe ich das nicht. Ich würde mich über einen gesicherten Mittelfeldplatz freuen und halte es da mal mit meiner früheren Rückennummer: Platz neun oder besser klingt doch ganz ordentlich, oder? Und wenn die Jungs dann nicht mehr wissen, wohin mit dem Ball, dann einfach mal reinhauen.

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