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Meinung Kolumne "Abseits"

Wenn Vereine ihre Spieler wie Aussätzige behandeln

Eren Derdyiok, Spieler bei der TSG Hoffenheim, Trainingsgruppe 2. Von dem Haufen der Geächteten gibt es sogar ein eigenes Mannschaftsfoto Eren Derdyiok, Spieler bei der TSG Hoffenheim, Trainingsgruppe 2. Von dem Haufen der Geächteten gibt es sogar ein eigenes Mannschaftsfoto
Eren Derdyiok, Spieler bei der TSG Hoffenheim, Trainingsgruppe 2. Von dem Haufen der Geächteten gibt es sogar ein eigenes Mannschaftsfoto
Quelle: picture alliance / dpa
Klubs wie Hoffenheim, der HSV oder Mönchengladbach sperren Spieler aus. Die Profis sollten gewarnt sein. In anderen Ländern gab es bereits Schlägertrupps mit Waffen oder Lauftraining in der Wüste.

Auf dem Platz ging es rund; elf gegen elf, ein richtiges Fußballspiel fand gestern im Training von Borussia Mönchengladbach statt. Nur einer durfte nicht mitmachen: Peniel Mlapa, hochveranlagter deutscher Junioren-Nationalspieler, erhielt seinen eigenen Ball und durfte ihn gegen eine Wand dreschen. Denn er soll sich mangels Leistung einen anderen Verein suchen, und deshalb darf keiner mit ihm spielen. Moderne Pädagogik.

Es ist in jedem Sommer dasselbe: Solange die Transferfenster offen sind – und das ist noch vier Wochen der Fall – sichten Vereine ihre Kaderbestände. Neue Trainer haben neue Ansichten, vielleicht hat auch der Schatzmeister nach dem jüngsten Kassensturz was zu sagen. Jedenfalls erhält nun so mancher ohne Vorwarnung den Laufpass, Vertrag hin oder her.

Das war schon immer so, insbesondere da, wo Felix Magath wirkte, und soll an dieser Stelle auch nicht allzu laut beklagt werden; da genügt in der Regel schon der Hinweis aufs fünf- bis sechsstellige monatliche Schmerzensgeld – wie bei einem Thomas Berthold oder Kalle Del’Haye, die sich deshalb von den Bayern nicht vertreiben ließen. Die Art und Weise, wie Profi-Vereine heutzutage tschüs sagen, darf zuweilen jedoch schon mal kritisch beäugt werden.

Alles, was teuer ist, muss raus

Allen voran in Hoffenheim. Beim viel geschmähten Milliardärsklub sind sie ja wieder auf dem "Zurück-zu-den-Wurzeln-Trip" und schmeißen alles raus, was Millionär ist. Die Verfahrensweise mit der längst berüchtigten "Trainingsgruppe 2" mit Hochkarätern wie Tim Wiese und Eren Derdiyok erinnert an die Aussätzigen in den Städten des Mittelalters. Bloß keinen Kontakt mit dem erlesenen Rest des Kaders, fehlt eigentlich nur noch eine Bannmeile. Unter Aufsicht eines nicht sonderlich renommierten Vorturners halten sich die sechs Aussortierten ohne jegliche Spielpraxis fit und haben sich neulich gar mit einem eigenen Mannschaftsfoto selbst auf die Schippe genommen.

Humor ist, wenn man trotz Degradierung lacht.

Die Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV) findet das alles nicht mehr lustig und hat den Verstoßenen nun geraten zu klagen, oder besser gesagt, auf Nachfrage darauf hingewiesen, dass sie ihr Recht "auf Teilnahme am Spiel- und Trainingsbetrieb" einklagen könnten. Dass das nicht immer sinnvoll ist, wissen sie auch bei der VdV. Aber Geschäftsführer Ulf Baranowsky weist auf entsprechende Urteile hin und sieht beispielsweise das Modell des Hoffenheimer Straf-Bataillons "auf tönernen Füßen" stehen.

Mobbing hat viele Facetten

Auch im Fußball gelte der arbeitsrechtliche Grundsatz, dass es keine "unangemessene Benachteiligung" geben dürfe. Ein Chefredakteur dürfe nicht Pförtner werden, ein Profikicker kein Dauerläufer ohne Anschluss zur Mannschaft. Wer bloß zu teuer ist oder nicht mehr ins Konzept passe, dürfe nicht einfach ins zweite Glied verbannt werden. Schon die Versetzung in die zweite Mannschaft sei fragwürdig, jedenfalls wenn diese nicht mindestens Oberliga spielt.

Derzeit sind gut ein Dutzend VdV-Mitglieder ausdrücklich unerwünscht in ihren Klubs und drehen einsame Runden – auch beim HSV gibt es diverse Abschiebekandidaten.

Das Mobbing hat viele Facetten. In den unteren Ligen kommt es immer wieder vor, dass Profis keine Nummern bekommen, nicht aufs Mannschaftsfoto dürfen oder ganz aktuell nur frühmorgens und spätabends trainieren – von der Truppe isoliert. Werner Lorant stellte bei 1860 München mal dem Spieler Uwe Wolf einen Stuhl vor die Tür, weil für ihn in der Kabine buchstäblich kein Platz mehr war.

Ohne Wasser in die Wüste

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Immerhin noch besser als das, was einem türkischen Zweitliga-Kicker passierte, der von seinem Verein ohne Wasser in der Wüste ausgesetzt wurde – zum Lauftraining. Auch dieser Fall landete bei der VdV, wo der Bemitleidenswerte Mitglied ist und nach der glücklichen Rückkehr aus der Wüste Hilfe suchte. In Osteuropa, diese Fälle sind bei der Internationalen Profispielervereinigung fifpro alle dokumentiert, schicken Vereine überzähligen Spielern auch schon mal Schlägertrupps vorbei, die mit Waffen vor ihren Augen fuchteln.

Wer will da noch vor Gericht ziehen? Bernd Schuster kam 1995 in Leverkusen nach seiner Degradierung aus Leistungsgründen bekanntlich mit Anwalt zum Training, er hatte damit Erfolg: Sie mussten ihn wieder mitmachen lassen. Und obwohl ihn Trainer Erich Ribbeck für aussortiert erklärte, setzte sich Schuster bei Spielen auf die Bank, um seine Arbeitskraft anzubieten. Das ginge in Hoffenheim schon aus Platzgründen nicht, es sei denn die "Arbeitsgruppe 2" brächte ihre eigene Ersatzbank mit.

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